3, 5, 90, 40, 57

Neugierig was all diese Zahlen bedeuten? Letztes Wochenende, das Pi Mai-Wochenende, sind wir für drei Tage mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Wir, das sind meine Mitbewohnerin Li* und ich, außerdem zwei laotische Freunde, Meng und Tuy, und mein ehemaliger Schüler Liam*. Vor einigen Wochen hatten wir die spontane Idee dazu gehabt, und die PiMai-Ferien erschienen uns als der perfekte Termin, da wir alle frei hatten. Da um PiMai auch die heißeste Zeit ist, entschieden wir, sehr früh am Morgen loszufahren, sobald es hell wird, und über Mittag lange Pausen einzulegen, um die Hitze möglichst zu vermeiden. Einige Freunde sprangen im Laufe der Planung ab, aber 5 Tage vor der Abfahrt waren wir schließlich 5 Leute, die auf jeden Fall fahren würden. Wir besorgten uns Gepäckträger für die Fahrräder, außerdem Ersatzschläuche und Snacks, liehen uns noch zwei Hängematten aus und packten am Freitag Abend die letzten Sachen. Meng und Tuy übernachteten bei uns auf dem Sofa, da wir am nächsten Morgen um 5 Uhr los wollten.

Unsere Route von Vientiane zu Nam Suang.

Ganz 5 Uhr war es nicht mehr, eher halb 6, dabei gaben wir uns echt Mühe! Aber wir fuhren erstmal eine Stunde durch Vientiane, bevor wir zu Route 13 kamen, der Straße nach Norden, nach Vang Vieng**. Auf halbem Weg zu Vang Vieng befindet sich ein See, Nam Suang, und das war unser Ziel. Wir hatten anfangs etwa 60 km für den Weg veranschlagt, und mit schlechten Straßen gerechnet, aber am Ende war es doch etwas weniger, und die Straße war ziemlich gut, sodass wir gut vorankamen und schon den halben Weg hinter uns hatten, als wir eine Frühstückspause bei einem Nudelshop einlegten. Dann ging es weiter, inzwischen war es schon recht heiß und wir kamen mit Trinken kaum hinter dem Schwitzen hinterher. Schließlich gelangten wir in die Nähe des Sees, und hier suchten wir uns als erstes ein Café mit – ganz wichtig – Klimaanlage, wo wir die nächsten paar Stunden verbrachten, schlafend, Ukulele klimpernd oder einfach im Gespräch. Nach der allerheißesten Mittagszeit schwangen wir uns wieder auf unsere Räder und fuhren ein Stück zurück, um bei einem Markt Essen für diesen und den nächsten Tag zu kaufen. Dann fuhren wir die letzten 2 km zum Seeufer.

Unsere drei Jungs während der Mittagspause. So sieht ein Campingtrip im 21. Jahrhundert aus…

Vielleicht erinnert ihr euch, dass ich bereits vor knapp 2 Jahren mit einigen Freunden einen Wochenend-Camping-Ausflug gemacht habe. Auch damals waren wir bei diesem See gewesen, und so konnten wir uns noch recht gut orientieren. So suchten wir den einen Laden mit sehr leckeren Mangos wieder auf und fragten den Besitzer, wo wir am besten unser Lager aufschlagen könnten. Wie gut, dass wir das taten! Denn er empfahl uns einen Platz, der sich später als unglaublich segensreich erwies.

Der Blick über den See. Im Hintergrund sieht man das Hausboot. Abends besuchten uns einige Wasserbüffel auf dem Weg nach Hause.

Unser Lager war an einer kleinen Bucht, etwas versteckt. Vor uns lag der See und hinter uns war dichter Wald, sehr wichtig, da wir keine Toilette eingepackt hatten. Ein wenig vom Gebüsch versteckt befand sich eine kleine Hütte, also quasi eine Plattform mit Dach, die wie dafür gemacht war, um die Hängematten aufzuhängen. Die Bohlen waren schon etwas morsch, aber hielten uns noch gut aus. Etwas weiter am Seeufer war eine Feuerstelle, und sogar trockenes Holz fanden wir zuhauf. Soweit perfekt. Wir genossen den immer noch heißen Abend und unser Abendessen am Lagerfeuer und sangen auch ein wenig zur Ukulele, bevor wir schließlich ins Bett bzw in die Hängematten fielen.

Lagerfeuer am Abend.

Aber lange blieben wir da nicht. Liam, mit 11 Jahren bei weitem der Jüngste, konnte in der Hängematte nicht schlafen, und so wechselte er bald darauf ins Zelt. Aber dort war es zu heiß. Nach vielem Hin- und Her und einem kleinen Ausflug ans Seeufer schlief er schließlich auf dem Boden unter dem Moskitonetz, und Meng und Tuy fächelten ihm für wenigstens eine halbe Stunde treu mit dem Topfdeckel frische Luft zu, damit die Temperatur wenigstens halbwegs erträglich war… Das ist echte Freundschaft!

Am nächsten Morgen waren wir alle, aber besonders Liam, entsprechend müde. Und der Tag war wieder echt heiß, sicherlich an die 40°C. Wir blieben meist im Schatten unserer Hütte. Liam entschied, dass er noch eine Nacht wie die letzte nicht durchhalten würde, sodass er sich von seinen Eltern mit dem Auto abholen ließ. Wie gut, dass die Möglichkeit bestand! Bevor es für ihn nach Hause ging, liehen wir noch ein Boot von den Farmern in der Nähe aus und fuhren ein bisschen auf dem See herum. Nachdem wir anfangs einen Kreisel nach dem anderen drehten und wenigstens 4 mal unfreiwillig am Ufer anlandeten, ging es auch ganz gut, und wir paddelten zu einer anderen kleinen Halbinsel, wo wir Schnecken sammelten, die es später zum Abendessen gab. Auch zurück schafften wir es, sogar ganz ohne Kreisel!

Schneckenmahlzeit. Da mein Magen und Darm sich nicht ganz wohlfühlen, verzichtete ich doch lieber auf diese Speise.

Abends machten wir, nun nur noch zu viert, wieder Lagerfeuer. Morgens schon hatte Meng mich skeptisch angeschaut, als ich Anstalten traf, das Feuer ohne Alkohol zu starten. Er glaubte nicht ganz, dass ich das schaffen würde, aber umso beeindruckter war er, als bald darauf doch ein Feuer prasselte, und ich noch dazu nur ein Streichholz gebraucht hatte. Abends bekam ich dementsprechend gleich von Anfang an die Aufgabe, das Feuer zu starten, „because you are so good at starting the fire.“ („weil du so gut ein Feuer machen kannst“). Diesmal brauchte ich jedoch 4 Streichhölzer… Aber schließlich brannte es und wir verbrachten unseren letzten Abend am See damit, am Lagerfeuer Lieder zu singen und auf laotisch und englisch (und Hmong) zu reden. Aber diese letzte Sprache sprechen nur zwei von uns, und so blieben wir hauptsächlich bei den ersten beiden.

Um etwa neun Uhr abends gingen Li und ich schlafen und die Jungs folgten unserem Beispiel bald darauf. Wir hatten bereits alles gepackt, um am nächsten Morgen wieder vor der Sonne aufzustehen und loszufahren, solange es noch halbwegs kühl ist. Gegen halb zehn frischte der Wind etwas auf (was heißen soll, es gab überhaupt so etwas wie Wind), und es fielen ein paar Tropfen, sodass wir schnell unsere Fahrräder unter das Dach holten. Doch das war erst der Anfang gewesen. Kurz darauf wurde der Wind stärker und stob die Funken von unserem erlöschendem Feuer hoch in die Luft und über das trockene Gras – ein gleichzeitig wunderschöner und schauriger Anblick. Der Wind wurde immer stärker, und es fielen mehr Regentropfen, sodass ich es doch für besser hielt, die Hängematte einzupacken, damit der Wind sie nicht zerreißt, und Li klappte das Pop-up-Zelt zusammen, um sich darauf zu setzen. Wir anderen gesellten uns bald zu ihr, und da wehte auch der Sturm schon in voller Stärke. Regen wechselte sich mit Hagel ab und wurde von den heftige Windböen auch unter unser Schutzdach geweht, sodass wir trotzdem schon nach kurzer Zeit vollkommen durchnässt waren. Der Bambus und die Büsche um uns her schwankten hin und her, und der Wind zerrte am Wellblech, das ein wenig lose kam. Während all dem blitzte es unaufhörlich, und der Donner ergab mit dem Rauschen des Windes und des Regens eine laute Geräuschkulisse. Später sahen wir, dass die Heftigkeit des Niederschlags mit etwa 57dBZ*** gemessen wurde. Es war beeindruckend! Ich glaube, es war das erste mal, dass ich bei einem solchen Wetter draußen war, ohne die Sicherheit eines festen Hauses, und irgendwie genoss ich es.

Der Sturm war tatsächlich nur bei uns gewesen. Schon 5 km weiter sahen wir keine abgerissenen Blätter mehr auf den Straßen.

Schließlich, nach vielleicht einer halben oder einer Stunde, flaute der Wind wieder ab, und der Regen zog weiter, das ganze Drama war vorbei. Jetzt erst sahen wir, dass das Hausboot unserer „Nachbarn“ in unsere Bucht getrieben war und nun hilflos am anderen Ufer festsaß. Dagegen hatten wir kaum Schaden erlitten: die Fahrräder waren alle heil, nur nass geworden. Das Zelt und die Hängematte waren dank unserer Vorsichtsmaßnahmen auch noch ganz, aber auch nass. Unsere Taschen waren weitestgehend wasserdicht, worüber wir recht froh waren, weil wir dann wenigstens etwas trockenes anziehen konnten. Li und ich stellten das Zelt wieder auf, trockneten es so weit es ging und legten Müllsäcke auf dem Boden, auf denen wir dann schliefen. Die Jungs schliefen zu zweit in der trockenen Hängematte. Wir hatten keine Decken, weil es normalerweise eh zu heiß dafür ist. Aber diese Nacht froren wir doch (fast) ein bisschen…

Das Hausboot, das in unserer Bucht gestrandet ist. Vorher lag es am Ausgang der Bucht zum See hin (siehe Bild Blick über den See).

Am nächsten Morgen packten wir alles Restliche zusammen und machten uns auf den Weg zurück. Wir waren doch ein bisschen geschockt, als wir sahen, dass teilweise sogar ganze Bäume umgestürzt waren und der Boden übersät war mit Ästen und Zweigen. Ein Hühnergehege, an dem wir vorbeikamen, war komplett eingestürzt. Dass es so schlimm gewesen war, hatten wir nicht geahnt. Als wir den Sturm rekapitulierten, sagten beide Jungs, sowohl Meng als auch Tuy, dass sie schon bei Beginn des Sturms nach hohen Bäumen in der Nähe unserer Hütte Ausschau gehalten hatten, denn beide konnten von Bekannten oder Verwandten erzählen, die von einem umstürzenden Baum getroffen waren. Wie gut, dass wir die beiden gehabt hatten! Li und ich hatten uns darum kaum Gedanken gemacht.
Aber bei unserem Unterschlupf waren keine hohen Bäume gewesen. Nur Gebüsch, das uns vor dem schlimmsten Wind abschirmte. Das Haus hielt, obwohl die Pfeiler teils schon ein wenig wurmzerstochen waren. Wir verloren nichts, bis auf den Deckel eines Insektensprays, der vom Wind davon geweht worden sein muss. Fast unglaublich, dass wir diesen Sturm so unbeschadet überstanden hatten!

Diese Straße scheint schon ein wenig gesäubert worden zu sein, da die Äste zumindest zur Seite geräumt wurden.

Auf dem Rückweg waren wir irgendwie schneller als auf dem Hinweg. Wir waren gegen halb 9 in Vientiane und stoppten, um zu frühstücken. Dann ging es weiter, quer durch die Stadt, nach Hause, wo wir kurz vor 10 ankamen, und schon nach kurzer Zeit auf dem Boden vor der Klimaanlage (dies war der kühlste Ort) friedlich schlummerten.

3 Tage, 5 Freunde, 90km Strecke, 40°C Hitze, 57dBZ Niederschlag.
Ich brauchte bestimmt 2 Tage, um mich von dieser Fahrradtour zu erholen, ich war einfach so müde. Aber trotz Hitze und Sturm und Müdigkeit, ich würde es sofort noch mal machen!

*Namen geändert.
**Vang Vieng ist ein beliebtes Touristenziel hier in Laos und bekannt für die wunderschöne Karstlandschaft.
***dBZ ist eine Einheit für die Reflektivität von Radarniederschlag; 57dBZ ist ein ziemlich hoher Wert.

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