Vor genau einem Monat stand ich aufgeregt am Flughafen und schaute mir die Augen aus. Ich versuchte, durch die sich immer wieder schließenden Türen hindurch einen Blick auf die ankommenden Reisenden zu erhaschen, die an der Gepäckschleife ihre Koffer suchten. Und dann machte mein Herz einen Satz – drei vertraute Figuren waren in mein Sichtfeld getreten. Gleich darauf waren sie auch schon wieder verschwunden, aber in mir führte mein Herz einen solchen Freudentanz auf, dass ich kaum still stehen konnte – sie waren tatsächlich hier! In Laos! Ich konnte es kaum glauben. Kurz darauf kamen sie aus durch die Schiebetüren, und ich konnte das erste Mal seit über einem Jahr meine Eltern und meine kleine Schwester umarmen. Naja, klein ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Obwohl sie felsenfest behauptet, dass sie nicht noch mehr gewachsen ist. Aber ich hatte doch das Gefühl, dass ich noch mehr als früher zu ihr aufsehen musste.

Der Besuch war länger geplant gewesen, und von Anfang an war es ein Traum, der für mich in Erfüllung geht. Ich hatte es mir insgeheim lange gewünscht, meiner Familie mein Leben hier zeigen zu können, es aber kaum für möglich gehalten. Es ist doch etwas anderes, ob man Bilder und Geschichten und Aktuelles erzählen und zeigen kann, oder ob die Leute es tatsächlich selber erleben, die Sprache hören, die Gerüche wahrnehmen und meine Freunde hier treffen. Es waren nur zwei Wochen, aber wie schön waren diese zwei Wochen! Wir konnten ein bisschen reisen, und besuchten Xieng Khouang, einen Teil des Landes, der auch für mich noch unbekannt war, wenn auch nur übers Wochenende. Und dieses waren zudem noch ziemlich kalt: nachts weniger als 10°C, und tags auch nicht viel mehr als 20°C. Doch auch wenn wir froren, war es einfach wunderschön!

Während der Zeit, die wir gemeinsam hier in Vientiane hatten, war leider begrenzt, da ich als Lehrerin ja nicht eben mal zwei Wochen Urlaub nehmen kann. Aber trotzdem konnten wir gemeinsam einige meiner Freunde zum Abendessen treffen, spontan zu Patuxai (dem Triumphbogen) fahren, und am Sonntag zur Versammlung gehen. Auch durfte natürlich ein Besuch an der Flugschule nicht fehlen, und einer meiner Freunde, der dort arbeitet, hatte Freude daran, uns einmal herumzuführen und schließlich jedem von uns eine Flugstunde am Simulator zu geben.

Es waren sehr ereignisreiche Tage für uns alle, und ich bin so dankbar, dass es trotz der weiten Reise und der begrenzten Zeit trotzdem möglich war, dass meine Familie mich hier besuchen konnte. Und dies war ja nicht einmal das erste Mal: meine ältere Schwester und deren Mann waren bereits letzten November hier, was ich als ebenso großes Geschenk wahrgenommen habe. Wie reich (gesegnet) bin ich doch! Mit Familie und Freunden, die den weiten Weg, den Zeit- und Kostenaufwand und die Mühe nicht scheuen, um einmal mein Leben hier zu sehen.
Nach zwei Wochen fuhren wir wieder Richtung Flughafen. Unsere Nachbarn hatten uns das Auto geliehen, und unsere andere Nachbarin hatte sich erboten, es zu fahren. Ich hatte mich innerlich darauf vorbereitet, mich leer und traurig zu fühlen, aber im Moment war ich noch einfach glücklich und dankbar. Nach dem Einchecken hatten wir noch etwas Zeit zusammen, und so aßen wir unser mitgebrachtes Abendbrot, und kurz bevor sie durch die Sicherheitskontrolle mussten, kamen noch zwei gute Freunde, um meine Familie zu verabschieden. Meng, einer der zwei, fragte mich: „Why are you not crying? It’s ok, you can cry.“ („Warum weinst du nicht? Das ist schon ok, wein ruhig.“) Und ich wunderte mich selbst, dass ich nicht traurig war. Ich drückte meine Eltern so fest ich nur konnte, es muss schließlich für eine ganze Weile vorhalten. Und ich wünschte ihnen von Herzen einen guten Flug. Und ich wartete insgeheim auf dieses Gefühl der Leere und des Zurückgebliebenseins. Aber es kam einfach nicht. Ich war einfach nur glücklich und dankbar. War es nicht einfach wunderbar, dass meine Familie hatte hier sein können? Und hatte ich nicht einfach tolle Freunde, die sogar extra zum Flughafen kommen um Tschüss zu sagen (ok, sie mussten nur von der Flugschule herüberlaufen, aber trotzdem!)? Und weiß ich nicht, dass meine Familie und auch ich absolut geborgen sind in der Hand des Vaters? Und werde ich sie nicht wiedersehen? Also warum sollte ich weinen? Warum sollte ich traurig sein? Ich werde sie wiedersehen.
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